20.10.2022: Bundestag verabschiedet das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Ein schwarzer Tag für die Patientenversorgung

 

Der Hintergrund

Erst 2019 hatte die damalige Bundesregierung auch unter Mitarbeit des heutigen Bundesgesundheitsministers eine Regelung eingeführt, die es für Arztpraxen attraktiver machte, Neupatienten anzunehmen.

Im aktuellen System erhalten die Kassenärzte nämlich meist nicht für ihre Leistungen das, was sie abrechnen, sondern bedingt durch die Budgetierung deutlich niedrigere "Kopfpauschalen" pro Patient*in und ab einer gewissen Leistungsmenge versorgen sie Patient*innen auch kostenlos.

 

Durch das TSVG (Terminservice- und Versorgungs-Gesetz) wurde 2019 eingeführt, dass Ärzt*innen alle Leistungen, die bei deutlich zeitaufwändigeren Neupatient*innen erbracht werden voll bezahlt werden (also kein "Bonus" wie in den Medien oft berichtet wurde). 

 

Prof. Lauterbach erklärte in seiner damaligen Rede im Bundestag (14.03.2019) auch sehr gut den Sinn des Gesetzes:

"... der neue Patient bereitet viel Arbeit. Den kenn' ich noch nicht, ich muss als Arzt, auch als Praktiker gesprochen, muss ich mehr Zeit und Ressourcen investieren, um den neuen Patienten zu versorgen. Jetzt bekomme ich aber für den neuen Patienten so viel wir für einen Patienten, den ich seit Jahren kenne, dem ich nur ein Rezept, also sozusagen, ausfülle und wenn ich Pech habe und mein Budget ist voll, bekomme ich für den neuen Patienten gar kein Geld. Das heißt, tatsächlich ist das der Hauptgrund, weshalb wir die neuen Patienten in der Praxis als Ärzte oft nicht so gerne sehen, weil wir damit nicht nur nichts verdienen, sondern zum Teil sogar Verluste machen." (Quelle: Deutscher Bundestag)

 

Die Kehrtwende

Und jetzt ist es genau jener Prof. Lauterbach, der das TSVG damals am liebsten "Gesetz zum Abbau von Zwei-Klassen-Medizin" genannt hätte, der die Abschaffung dieser Regelung vorangetrieben hat, die nun am 20.10.2022 beschlossen wurde. 

Für Arztpraxen, die teils zur besseren Versorgung auch zusätzliches Personal eingestellt haben, bedeutet dies in Zeiten hoher Inflation nicht nur fehlenden Zuwachs beim Honorar, sondern Honorarrückgang. 

Die Politik zwingt damit vor allem Facharztpraxen, die letztlich als kleine Unternehmen auch auf eigenes wirtschaftliches Risiko arbeiten, bei der Terminvergabe mehr denn je eine Zwei-Klassen-Medizin zu praktizieren. Denn kein Unternehmen kann es sich leisten dauerhaft Leistungen kostenlos oder zu unwirtschaftlichen Preisen zu erbringen. 

 

Die Folgen: lange Wartezeiten

Folglich werden Sie als Neupatient*innen zukünftig viel schwieriger einen Termin erhalten, als Stammpatient*innen, die in der Regel deutlich bequemer, aber zum gleichen Preis, behandelt werden können, oder Privatpatient*innen, bei denen Leistungen immer voll bezahlt werden. (s. oben Rede Prof. Lauterbach)

 

Wir werden Neupatient*innen in unserer Praxis zukünftig nur noch auf explizite hausärztliche Überweisung annehmen und leider auch künftig weniger Termine anbieten können. 

 

Was können Sie tun?

Besorgen Sie sich immer beim Hausarzt eine Überweisung, wenn Sie erstmals fachärztliche Hilfe brauchen. Klären Sie beim Hausarzt die Dringlichkeit, denn dringliche Fälle (dazu Zählen auch Termine innerhalb von 5 Wochen) kann der Hausarzt selbst anmelden oder er verweist Sie an die Terminservice-Stelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Versorgung dieser so vermittelten Patient*innen soll aktuell noch voll vergütet werden. Auch das steht im neuen Gesetz (aber davon im nächsten aktuellen Thema mehr). 

 

 Protestieren Sie bei Ihrem Abgeordneten vor Ort gegen diese Verschlechterung Ihrer Versorgung (s. #WartenBisDerArztKommt).

 

Wir werden weiterhin versuchen, Sie bestmöglich zu versorgen, es kann allerdings zukünftig dauern ...

(Stand 24.10.2022)